An jedem Montag veröffentlicht die Emsdettener Volkszeitung unter der Rubrik „Von Mensch zu Mensch“ einen Beitrag zum Nachdenken. Die Autorinnen und Autoren kommen im Wechsel aus der evangelischen und der katholischen Gemeinde. Hier zum Nachlesen der aktuelle Beitrag aus der katholischen Gemeinde. Verfasst hat ihn Paul Greiwe, Pastor in der Pfarrei St. Pankratius Emsdetten.
Ein König und ein kleines Kind
Es war ein großes Spektakel! Anders lässt sich der Aufmarsch zur Krönung von Charles III. in London wohl kaum beschreiben. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich geirrt habe. Bei den Bildern von der Beisetzung seiner Mutter, der Queen, ging mir im vergangenen Jahr der Gedanke durch den Kopf, dass damit die Briten wohl auch Abschied nehmen würden von den monumentalen Inszenierungen ihres Königshauses. Weit gefehlt, muss man doch eingestehen, dass mal wieder einiges aufgefahren wurde. Das wirkt beeindruckend, hinterlässt aber auch das Gefühl, dass das alles irgendwie doch fehl am Platz ist, ein Fremdkörper in unserer modernen Welt, der allemal besser als tägliche Parade in das Disneyland passen würde.
Besonders auffällig erscheint im Ritus der Krönung, wie wichtig es den Briten ist, dem Geschehen eine tiefe religiöse Bedeutung zu geben, und wohl nicht nur, weil mit dem König auch das Oberhaupt der anglikanischen Kirche gekrönt wird, sondern gerade auch, weil die Stellung des Monarchen traditionell als direkt von Gott eingesetzt angesehen wird.
Sehr intensiv wird dieser Gedanke sichtbar in der Salbung des Königs. Beziehungsweise wird er dadurch ja gerade nicht sichtbar, weil die Salbung hinter einer eigens aufgestellten Trennwand geschieht. Damit wird deutlich, dass der König gewissermaßen in den göttlichen Bereich hineingenommen wird, eine Wirklichkeit, die ihn von allen anderen – ganz normalen Menschen – trennt. Wer die Serie „The Crown“ verfolgt, wird sich vielleicht an die Folge erinnern, in der es um die Krönung von Queen Elisabeth geht. Ihr Onkel kommentiert vor seinen Gästen in Paris die Szene mit äußerst emotionalen Worten.
Szenenwechsel: Am Tag der Krönung durfte ich hier in Emsdetten im Rahmen der Trauung eines Brautpaares das Kind der beiden taufen. Auch zum Ritus der Taufe gehört – nach dem Übergießen mit Wasser – die Salbung mit dem heiligen Öl, auch Chrisamöl genannt.
Anders als in London wurde hier keine Trennwand aufgebaut, die Salbung fand mit der versammelten Gemeinde statt. Damit gewinnt dieser Akt im Gegensatz zur Salbung bei der Krönung geradezu etwas Verbindendes. Eine wichtige Bedeutung der Salbung ist immer der Gedanken der Stärkung. Gott will uns Kraft geben für die Aufgabe, die uns ins Leben mitgegeben ist, die Aufgabe, diese Welt durch unser Dasein und dann auch durch unser Tun mitzugestalten. Und das gilt für alle in gleicher Weise, das gilt für den König in London und für ein neugetauftes Kind in einem kleinen Ort nördlich von Münster. Und das verbindet beide nicht zuletzt auch mit Jesus, den wir nicht ohne Grund „Christus“ nennen, den Gesalbten. Die Salbung ist ein Zeichen, das eine Wirklichkeit zum Ausdruck bringen will. Was wir Menschen daraus machen, liegt natürlich an uns. Ich wünsche König Charles III., dass es ihm gelingt, seine Möglichkeiten gut für die Menschen in der Welt zu nutzen. Nicht weniger wünsche ich das dem Kind, das ich taufen durfte, und zusätzlich, dass es spüren darf: Mein Leben ist bedeutsam, nicht weniger bedeutsam als das eines Königs.