An jedem Montag veröffentlicht die Emsdettener Volkszeitung unter der Rubrik „Von Mensch zu Mensch“ einen Beitrag zum Nachdenken. Die Autorinnen und Autoren kommen im Wechsel aus der evangelischen und der katholischen Gemeinde. Hier zum Nachlesen der aktuelle Beitrag aus St. Pankratius. Verfasst hat ihn Sajeev Myladiath, Pastor in St. Pankratius Emsdetten.
Spätzünder – aber mit unglaublicher Wirkung
Pfingsten ist das Fest für Spätzünder; und es ist kein Wunder, dass manche politische Schnellphrasenproduzenten verlangen, den zweiten Spätzünder-Feiertag abzuschaffen; diese zwei Festtage stellen uns, ohne dass wir das heute immer so klar merken, ein paar Wahrheiten vor Augen, die wir Fortschritts- und Wirtschaftsrealisten ziemlich locker vernachlässigen, weil sie uns immer wieder stören.
7 x 7 Tage brauchten die ersten Christen, bis sie endlich am 50. Tag (der Name Pfingsten stammt von der Zahl 50) den Mund aufmachten. An Pfingsten trauen sie sich zum ersten Mal, allen Menschen die so unwahrscheinliche und alles umwälzende Botschaft zuzusagen: Nicht die, die andere Menschen töten, sind die Sieger; die Machthaber haben nicht ewige Macht; die Aggressiven erreichen nicht ihr Ziel; die Soldaten gewinnen zwar Kriege, aber nicht den Frieden.
Das Todesurteil über Jesus durch den Machthaber, die erfolgreiche Hetze gegen seine Botschaft durch die Aggressiven, ja, selbst die Tötung Jesu durch römische Soldaten ändern nichts daran: Die Liebe besiegt den Tod. Und diese Wahrheit ist in der Auferweckung Jesu durch Gott ein und für allemal auf ewig besiegelt. Das ist der Kern dessen, wovon die Spätzünder, wir Christen, seit diesem Tag sprechen (auch wenn sie sich immer wieder mal mehr und mal weniger in die Macht verlieben, selber aggressiv werden oder gar beim Töten mitmachen. So realistisch dürfen wir die Christen natürlich auch sehen).
Ich weiß nicht, wer von Ihnen „Feuer und Flamme“ für Borussia Dortmund oder für Bayern München – oder für Fortuna oder Borussia oder Emsdetten 05 – ist; ich weiß (im Moment des Schreibens) auch noch nicht, wer die Meisterkrone (für diese Saison) gewonnen hat. Die Meisterfeiern werden (hoffentlich) nur eins zeigen: Begeisterung. Und… zur Begeisterung der einen gehört hier die Ernüchterung, die Enttäuschung der anderen.
„Feuer und Flamme“ verbreitet der alte Text der Apostelgeschichte auch. Und dass die Begeisterung für Jesus, dass dieses Feuer bei den Christen nie erloschen ist, nie erlöscht und nie erlöschen wird, das ist nicht selbstverständlich. Das drückt die Apostelgeschichte damit aus, dass sie dieses Feuer von Gottes Geist selbst entzünden lässt.
Dabei stimmt es natürlich, dass in Corona-Zeiten fast nichts von diesem Feuer zu sehen war, selbst die Osterfeuer fielen aus. Da scheint also ein todbringendes Virus doch stärker zu sein; aber dann lesen wir vom Bischof von Bergamo Francesco Beschi: „Ich bin überzeugt, dass die Not, die wir erleben, unser Herz für das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes öffnet.“ (aus der Kirchenzeitung Kirche + Leben, 2020). Da ist er wieder, der Geist Gottes, der das Pfingstfeuer entzündet hat, das seit dem ersten „Spätzündertag“ immer noch brennt.
Selbst während des „1000-jährigen Reiches“ ist das Pfingstfeuer nie erloschen, wie wir Emsdettener mit der „Kaddi“ (der Kardinal-von-Galen-Grundschule) ins Gedächtnis rufen werden, auch wenn wir hier öfter von der „Glut unter der Asche“ (so der Titel eines lesenswerten Buchs von Willi Fährmann) sprechen müssen.
Das Verblüffendste, das Unwahrscheinlichste an dem eigenartigen Pfingstereignis vor fast 2000 Jahren ist aber, dass alle Menschen die „Nachricht“ verstehen, weil sie die Botschaft in ihrer „Muttersprache“ hören. Die Muttersprache ist die Sprache, die wir alle verstehen, die unser Menschenherz, unseren Menschenverstand und unser Menschentun erreicht. Die „Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesepotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyen nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber“: Also wirklich alle Menschen hören die Botschaft nicht nur, sie verstehen sie auch noch in ihrer jeweiligen Muttersprache. Dass auch wir diese Botschaft, „die Liebe ist stärker“, in unserer eigenen Muttersprache verstehen, dass sie unser Menschenherz, unseren Menschenverstand und unser Menschentun bestimme, das wünsche ich Ihnen von ganzen Herzen zu diesem Pfingstfest.
Und… diese Wahrheit ist allemal zwei Feiertage wert.